Donnerstag, 2. Juli 2015

Mai

Jeder Mai beginnt in Japan mit der erholsamen "Golden Week". Von meinen Gasteltern habe ich mir erklären lassen, dass hier der Mai für Neuanfang steht, da der Anbau beginnt und vielleicht auch weil die Sonnenstrahlen eingeschlafene Gefühle wecken. In der "Golden Week" soll man dann den Grundstein für diese Vorhaben setzen.


Wir bekamen Besuch aus Kyoto. Ich lernte meine 24 Jahre alte Gastschwester und ihre reizende kleine Familie, bestehend aus Ehemann und Hund Hime, kennen.

Meine Gastschwester hatte in ihrer Highschoolzeit selbst mit YFU ein Auslandsjahr in Deutschland verbracht, konnte also demnach noch ein wenig Deutsch sprechen. Das war ziemlich interessant, sie erzählte mir sie ging jeden Tag nach der Schule in den Supermarkt und kaufte sich Milka Schokolade. Ja, so wäre auch meine Erinnerung an Deutschland gewesen xD Ich fragte sie nach Nutella und plötzlich sprach totale Begeisterung aus ihr. "Wir hatten auch Nutella in der Gastfamilie und ich habe Nutella jeden Morgen zum Frühstück gegessen!" Ach ja, jeden Morgen Nutella, dass waren noch Zeiten *__*

Als aller erstes traf ich aber ihren Hund an. Hime heißt der kleine süße Shiba Inu und ist schneeweiß. Ich habe mich sofort mit ihr angefreundet, indem ich ihre Bitte nach Aufmerksamkeit gestillt habe. Hunde fand ich schon immer toll, aber keiner in meinem deutschen Umfeld hatte etwas mit Hunden zu tun gehabt :( . Es machte mir also totalen Spaß mit ihr zu spielen, obwohl sie haarte wie sau und ich jetzt noch weiße Haare an meinen Klamotten aus der frischen Wäsche finde.

Wir gingen alle zusammen Bowlen. Das war ziemlich lustig, erst recht als wir danach noch in die Spielcasinoabteilung gingen (Keine Ahnung ob mir das überhaupt mit 16 schon erlaubt ist?) und ich mein erstes richtiges Geldglücksspiel gespielt habe... es war an einem einfachen Automaten wo man den Knopf drückt und mit Glück dreimal das selbe Symbol erscheint. Und da ich nun mal ein Sonntagsglückskind bin, war das bei mir sogar öfters der Fall. Mit jedem Gewinn hatte ich Angst gleich süchtig zu werden xD. Aber ich teilte meine gewonnenen Taler (sonst wären wir wahrscheinlich ewig nicht fertig geworden) und schließlich nahm irgendwann das Spiel ein Ende.


Unsere Gäste blieben aber nur ein paar Tage, denn danach machten meine Gasteltern mit mir einen Kurztrip an den berühmten Fujisan. Wer noch nie davon gehört hat, sollte sich wirklich schämen. Der Fujisan ist der höchste und meiner Meinung nach beeindruckendste Berg Japans. Eigentlich ist er sogar ein Vulkan, der aber seit mehreren hundert Jahren keine Eruption mehr hatte. Insgesamt ist er 3.776m hoch und ich habe mir sagen lassen um ihn hoch zulaufen braucht man vom Fuße des Berges etwa 13-14 Stunden.

Leider kann ich euch keinen aufregenden Bericht von meiner Besteigung des Fujisan liefern, aber es war auch schön ihn von Weitem aus einem gemütlichen, warmen Bad zu betrachten.




Fast noch besser fand ich aber unsere Unterkunft. Ich habe nicht schlecht geguckt als wir die Lobby betraten. Das nannte ich traditionell japanischen Luxus. Uns wurde sogar traditionelle Kleidung zur Verfügung gestellt! Und die Aussicht auf den Fujisan und dessen umliegende weite Natur war wunderschön. Bisher hatte ich ja immer nur das große, eintönige Tokio zu sehen bekommen gehabt.
Das Hotel hatte auch einen super tollen japanischen Garten mit japanischer Teezeremoniestation, einem warmen Fußbad, usw. Wir konnten sogar zwei japanische Hochzeitspärchen bei ihren Fotosessions erhaschen!

Hochzeiten in Japan finde ich ja irgendwie total interessant. Mein Gastvater meinte es ist hier ein riesiges Business mit großen Geldeinnahmen. In Japan dürfen Mädchen auch schon mit 16 heiraten und Jungs erst mit 18. Keine Ahnung wie das eigentlich in Deutschland aussieht. Aber in diesem Falle ist das japanische Gesetzt schon etwas komisch, denn Alkohol darf man mit 16 auf seiner Hochzeit noch nicht trinken. Wird also feierlich mit Kindersekt angestoßen :D.

Das eine Hochzeitspärchen feierte ganz traditionell in einem Hochzeitskimono mit roten und goldenen Highlights. Ich fand dieses Pärchen so unglaublich schön zusammen, erst recht als sie in meine Kamera sahen und mir ein herzliches Lachen schenkten.


Das andere Paar machte ihre Fotos am Pool. Die Braut viel auf jeden Fall total ins Auge und von Weitem hätte sie jeder geliebt und als wunderschön bezeichnet. Ihr Kleid  war das Ebenbild einer Disneyprinzessin. Aber an sich war sie eigentlich gar nicht so schön und irgendwie ließ dieser Aufzug das Pärchen unsymphatischer und gestellter als das traditionelle Pärchen wirken.


Am Abend erwartete uns ein Menü welches ich als das interessanteste und nobelste bezeichnen würde, dass ich jemals hatte. Da bekam ich frischen Fisch wie er am Tage gefangen wurde als Vorspeise vorgesetzt und arbeitete mich über japanischen Hummer und Muscheltieren bis hin zu einem dreiteiligen Dessert. Mehr davon werde ich in einem speziellen Essenkapitel verraten, dass ich irgendwann mal schreiben werde. Und wie nach jedem erste Klasse Essen war man danach nicht bis zum Rande voll, sodass man gleich alles wieder auskotzen wollte, aber glücklich und zufrieden gesättigt.

Danach besuchten wir mal wieder ein Taiko-Trommel Konzert in der Lobby. Diesmal waren es erwachsene Männer und nur eine Frau. Es hat mich nicht so begeistert wie beim ersten Mal, aber super gut war es natürlich trotzdem.

Am nächsten Morgen durfte man zwischen japanischem und westlichem Frühstück entscheiden. Ich hatte zuerst das japanische gewählt, aber zum Glück überließ mir meine Gastmutter dann ihr westliches Frühstück xD Das war nämlich eindeutig mehr mein Geschmack, aber so viel, dass ich leider einiges zurück lassen musste.

Wir verließen das Hotel, schlossen unser Gepäck an der Zugstation in Schließfächer ein und traten eine Tour zu einem Blümchenpark an. Das hört sich jetzt ziemlich unspektakulär an, aber der Name dieser Attraktion steht in komplizierten Kanji (chinesischen Schriftzeichen) geschrieben, von denen ich keine Ahnung habe. Auf dem Foto könnt ihr ja sehen wie riesig und beeindruckend es war. Der gesamte Untergrund war ordentlich in Mustern mit pinken, blauen, rosanen, lilanen und weißen kleinen Blümchen bedeckt. Es roch also dementsprechend auch verdammt gut. Eigentlich prahlten sie mit einem schönen Flyerfoto wo Fujisan und Blümchen drauf abgebildet waren, aber an diesem Tag war das Wetter nicht so gut, dass man den Berg hätte erkennen können.
Danach traten wir auch schon wieder die Rückreise an.

Am nächsten Tag hatte ich noch Tanzclub und dann konnte ich in meinem  "Golden Week" Bericht für den Englischunterricht ein paar echt schöne Tage zusammenfassen.



Eine Woche darauf entführte mich meine Gastmutter zu einem Rockkonzert.
Ja, meine Gastmutter hatte da Kontakte und ich wunderte mich auch, ob Rock denn so ihr Musikgenre ist. Das kleine Konzert fand in einem kleinen Club statt, wo Rockamateure öfters mal ihr können zur Schau stellen durften. Das Publikum war hauptsächlich im Studentenalter, aber auch Älter war vertreten.
Während des Konzerts bekam ich dann zu verstehen, dass von meiner Gastma die Taikyokuken Lehrerin der Sohn auf dem Konzert in zwei Bands spielte. In der einen, welche zuerst auf der Bühne war, war er nur E-Bassspieler. Die zweite Band war seine eigene, mit eigenen Texten von ihm und selber Gesungen von ihm. Bevor das Konzert anfing, lehrte man mir das wichtige Wort "Ikemen", was so viel heißt wie "gut aussehender Junge/Mann". Und jaaaa der Typ war tatsächlich "Ikemen". Er sang zwar ziemlich schlecht und die Musik war jetzt auch nicht so meins, aber für sein verschwitztes T-Shirt hätte ich alles gegeben xD. Ich dachte wegen Kontakten und so darf man mit dem Superstar mal ein Wörtchen wechseln, aber dazu kam es leider gar nicht.


Im Mai gönnte ich mir auch etwas ganz Besonderes.
Durch meine Interesse am Tanzen lernte ich eine japanische Gottheit kennen. Ich bemerkte auf Youtube ein Tanzvideo von einer Japanerin auf einem internationalen Tanzevent. Da wurde ich natürlich neugierig und versuchte etwas mehr über sie herauszubekommen. Zuerst musste ich erschreckend feststellen, dass sie wie eine Person aussah die uns einmal im Tanzclub trainiert hatte. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen wie geschockt und aufgeregt ich da war. Dann bekam ich aber raus wie berühmt die Tänzerin aus dem Video wirklich ist.
Koharu Sugawara ist ihr Name. Sie wurde zuerst nur durch ihr Tanzen bekannt, gewann etliche nationale Wettbewerbe usw. Später tanzte sie für Stars wie RIHANNA und machte Choreographien für sau berühmte koreanische Girlgroups. Schließlich fing sie auch an zu Modeln, sogar für Weltmarken wie Desigual, Nike oder DR. Martens. wahrscheinlich auch dadurch wurde sie Japans Fashion-Ikone und ist öfters in Japans Zeitschrift NYLON zu sehen. (Kurzes Kommentar zu Modezeitschriften in Japan: Die sind echt der Hamma. Das aller erste wofür ich in Japan Geld ausgab, war eine Fashionzeitschrift namens JELLY.) Also um meine Vorstellung kurz zu halten...sie ist ziemlich berühmt in Japan.

Ich wurde sofort totaler Fan von ihr und folgte ihr auf allen Accounts die mir zur Verfügung standen. Dann las ich von einem Event mit ihr. Zuerst dachte ich mir nichts großes dabei, verstanden hatte ich das Plakat ja auch nicht wirklich. Aber dann postete eine andere weltberühmte Tanzcrew aus Norwegen, Quick Crew, sie käme nach Japan und schaut sich die Vorstellung von Koharu Sugawara an. Ich war total baff und sah vor mir die Chance, die für mich besten Tänzer überhaupt zu treffen. Ich fand einen Link zu der Website des Events und bat meine Gasteltern mir bei der Übersetzung zu helfen. Diese fanden dieses Thema auch sehr interessant und unterstützten mich bei meinem mutigen Vorhaben, alleine dort hinzugehen. Sie besorgten mir ein Ticket für die LETZTE freie Vorstellung. Alle Karten waren ausverkauft.

Am großen Tag war meine Gastma so nett und brachte mich zu dem Tanzevent. Ich war total aufgeregt, wo ich ja eigentlich keine genaue Ahnung hatte was mich da erwarten würde. Besonders stolz war ich auf mich, als ich zum ersten Mal mein japanisch in der Öffentlichkeit anwenden konnte und jemanden fragte wo mein Sitz ist. Ich verstand sogar die Antwort und nahm vollkommen zufrieden mit mir und der Welt meinen Platz in der dritten Etage des riesigen Saals ein. Meine Gasteltern hatten mir ein Fernglas mitgegeben und eine Frau mit Hochsteckfrisur hatte ich auch nicht vor mir, somit war der Sitzplatz ,so weit von der Bühne entfernt, kein Problem für mich.
Die Show begann, es wurde dunkel, eine Erzählerstimme und sanfte Musik setzte ein. Auf der Bühne sah man eine Frau mit übergroßem weißen Schleier. Ich wusste sofort, ich war hier bei etwas ganz Großem. Die Show war lustig und total emotionsvoll. Auch wenn ich nur wenig von dem Japanisch verstand war der Humor eindeutig gewesen, und auf der anderen Seite gab es Momente die waren so tief oder auch gewaltig ausgedrückt, dass ich Gänsehaut bekam. Die Tänzer waren einfach nur atemberaubend, die 100 besten Japans. Ich denke Deutschland könnte nicht mal mit seinen 50 Besten so eine Show zustande bringen. Ganz viel Respekt an die Japaner.

Schon davor wollte ich mir unbedingt ein T-Shirt von dem Event kaufen, aber die schienen alle schon länger ausverkauft zu sein (wie erwähnt, es war die letzte Vorstellung). Stattdessen holte ich mir die DVD von der Show des vergangenen Jahres.

An diesem Tag habe ich eine für mich sehr wertvolle Erfahrung gemacht, auf tänzerischem Gebiet, als auch für mich selber. Denn es fühlt sich gut an, seine Interessen einfach mal selber in die Hand zu nehmen und sich glücklich zu machen, indem man etwas Gewaltiges erlebt, wo ein Anderer nicht die geringste Vorstellung von hat.


Leider konnte ich meine neu gewonnene Motivation erstmal nicht ausleben. Es wurden nämlich bald die sogenannten "mid-term exam" geschrieben. Mit Deutschland verglichen sind das 3-4 Tage wo man nur Klassenarbeiten in allen Fächern schreibt. Und bekannterweise nehmen die Asiaten Schule ziemlich ernst und deswegen hat 1 Woche vor dem Exam niemand mehr Club, damit sie stattdessen lernen können. Und während dem Exam ist natürlich auch kein Club. Also hatte ich fast 2 Wochen lang kein Tanzen. Mein Lauftrainer in Deutschland hätte wahrscheinlich nur stumm den Kopf geschüttelt, hätte ich ihm vermittelt wegen Klassenarbeiten 3 Mal im Jahr zwei Wochen aussetzen zu müssen. Da wäre man ja niemals richtig in Bestform gekommen.

In der Examzeit schrieb ich 3 Englischarbeiten mit.

Die erste hab ich so ziemlich in den Sand gesetzt. Die Aufgaben waren nur in japanisch. Lösen konnte ich trotzdem einiges und habe mit viel Mühe versucht die Aufgabe zu übersetzen und die Kanji zu entschlüsseln.
Schließlich war ich am Ende ganz zufrieden mit mir, musste aber feststellen, dass alle nur ein Blatt abgaben welches bei mir vollkommen unbeschrieben geblieben war...ich hatte die Antworten auf das Aufgabenblatt geschrieben, nicht auf das Ergebnisblatt. Etwas peinlich berührt gab ich dann also ein deprimierend leeres Blatt ab. Sowas doofes.

Die zweite Arbeit lief schon besser. Aufgaben in Englisch und das Ergebnisblatt konnte ich jetzt auch richtig deuten.

Am meisten Spaß hat aber die letzte Arbeit gemacht.
Sie war von meinen zwei Lieblingsenglischlehrern kreiert wurden, die Beiden welche aus englischsprachigen Ländern kommen. Da sollte man hauptsächlich schreiben. Und irgendwie habe ich das richtig genossen, endlich mal etwas zu machen was mir liegt. Am Ende wurde die Arbeit aber von anderen Lehrern kontrolliert und aus irgendeinem Grund habe ich bei einer Aufgabe mit 10 Punkten keinen einzigen bekommen. Ich weiß nicht warum, hatte aber auch keine Lust die qualifizierte Meinung einer japanischen Englischlehrerin anzufechten und beließ es dabei.

Ansonsten verbrachte ich die Examzeit in einem Raum alleine und lernte japanisch. Einmal habe ich auch mit Svenja eine Entdeckungstour durch die Schule gemacht. Echt interessant wie viele versteckte Orte es an meiner Schule gibt.



Bald darauf machte ich mal wieder einen Abstecher nach Harajuku mit Svenja. Diesmal mit einer klaren Mission. Wir wollten uns Klamotten für den Harajuku Fashionwalk kaufen.
Mein Auftritt war schon etwas lustig. Ich ging im absoluten Gangster-Hip Hop-Outfit und Cappy in den Secondhandladen, und kam mit einem hellblauen "Alice im Wunderland"-Rüschenkleid in der Tüte wieder raus. Du bist, was du trägst.


Eine Woche später war dann der Harajuku Fashionwalk. Ich lernte Svenjas deutsche Freundin kennen, welche ebenfalls eins Austauschjahr in Japan verbrachte.
Während ich eher im Lolita-Style (Rüschen, süß, Kleid usw.) angezogen war, bevorzugten die anderen Beiden eine eher dunkle Gothikrichtung. Wie wir dann da also zusammen rumliefen, sah das schon ganz witzig aus. Schließlich bildete sich aber eine größere Gruppe von ca. 50 Leuten (sorry, bin ganz schlecht im schätzen) und ich hörte mehr lautes Englisch sprechen als Japanisch.

Tatsächlich waren nämlich ziemlich viele Ausländer dabei. Aus Deutschland kamen genau 7 Personen, eine davon war sogar bei der Organisation tätig. Leider bildeten sich dadurch aber auch so kleine Ländergrüppchen hatte ich das Gefühl. Wir wanderten dann also durch Harajuku, machten Videos und ganz viele Fotos, beschwerten uns wegen zu unbequemen Schuhen und der Hitze.

Am letzten gemeinsamen Standpunkt kam man nochmal dazu, mit den verschiedenen Leuten zu sprechen oder ein Foto zu schießen. Es kamen auch sehr viele Schaulustige die ein Foto machen wollten. Da war ich dann schon ziemlich geschmeichelt xD. Einmal hat mir sogar so ein süßer, kleiner, asiatische Junge schüchtern zugegrinst und gewunken, dass war das Süßeste überhaupt an diesem Tag.

Froh war ich dann aber trotzdem, wieder Zuhause anzukommen und diese unbequemen Schuhe in die hinterste Ecke zu schmeißen. Im Kleid hab ich mich auch nicht ganz so wohl gefühlt, da bin ich danach doch lieber schnell in meine gewohnte Jogginghose geschlüpft.


In der nächsten Woche stand das große Sportfestival statt. Mit Deutschland kann man das aber gar nicht so vergleichen. Es war eben wirklich ein Festival. Eine Feierlichkeit, aber kein Wettkampf.


Die Sportstunden zuvor hatten wir schon fleißig das Marschieren geübt. Ein Mädchen und ein Junge aus der jeweiligen Klasse stolzieren mit Fahne vorne weg, und der Rest marschiert der Größe nach sortiert in 4-er Reihen hinterher. So ging es die ganze Sportstunde lang. Nicht zu vergessen diese wunderschöne Marschmusik im Hintergrund. Das auf Kommando stehen bleiben habe ich trotzdem jedes Mal verpatzt.

Bei der Probe für das Sportfestival sah das aber noch viel extremer aus. Alle Klassen der Schule, also 30 Klassen mit jeweils ca. 40 Schülern, standen ordentlich in einer Reihe und fingen an, zuerst nur auf der Stelle zu marschieren. Von der 3.Klassenstufe bis zur 1.Klassenstufe sind die Klassen dann nacheinander eine Sportplatzrunde marschiert und in in der Mitte zum stehen gekommen. Meine Klasse ist die Nummer 10 der 1.Klassenstufe und jetzt dürft ihr mal raten, an welcher Marschierposition wir damit waren...

Ich glaube 20 Minuten lang bin ich marschiert, hauptsächlich auf ein und der selben Stelle. Wenigstens hatte man damit die Möglichkeit, alle anderen Klassen ausführlich zu betrachten. Und es sieht ernsthaft nach einer richtigen Diktatur aus, wenn fröhliche Musik spielt und die Schüler alle mit ernsten Gesichtern, gleichen Klamotten und gleicher Haarfarbe ihre Runden marschieren. Also zumindest an Disziplin könnte Deutschland sich da einiges abgucken.

Danach wurden irgendwelche Reden gehalten, Sportler geehrt, die Schulhymne gesungen und unser Aufwärmprogramm durchgeführt. Natürlich waren keine richtigen Disziplinen an dem Tag, nur noch die Probe der Klassenwettkämpfe. Damals dachte ich schon, ich müsste beim richtigen Sportfest sterben. Es war so verdammt warm und der helle Sportuntergrundsboden blendete mich absurd. Außerdem hatte man nicht besonders viel zu tun.

Am nächsten Tag wurde es dann aber doch ziemlich spaßig. Es war noch wärmer, 32 Grad Celsius waren angesagt.

Ich war total nervös auf meinen 800m Lauf. Erstmal war da dieser Druck dass alle von mir erwarteten (und ich von mir auch) die Erste zu werden, und ich wollte diesen Sieg meiner Klasse auch unbedingt schenken. Am Ende hab ich den Lauf dann doch ziemlich verkackt.

Wir liefen auch mit den anderen Klassenstufen zusammen, und es war echt deprimierend dass sie so schnell waren.
Ich gehe selbstbewusst ran und denke mir: "Jaaa lauft nur vor, am Ende könnt ihr alle nicht mehr."
Schließlich holte ich im Verlauf des Rennens immer mehr ein, aber irgendwann hatte ich mir nur noch als Ziel gesetzt die Erste meiner Klassenstufe zu sein und so schlich ich mich langsam aber sicher an die letzte 1. Klässlerin vor mir heran.

Warum so langsam? Aileenlogik.

Bloß nicht überanstrengen und dem Publikum einen schicken, siegreichen Schlusssprint liefern. Leise laufe ich aber nicht gerade, und so hörte sie mich auf der letzten Geraden heranpreschen und gab nochmal richtig Gas. Mist.
Danach war ich unzufrieden, weil ich nicht alles gegeben hatte. So ist es eigentlich immer schon gewesen. Trotzdem kamen mir alle meine Klassenkameraden strahlend und gratulierend entgegen. Manche glaubten sogar, ich hatte sie doch noch eingeholt gehabt.

Danach war ich jedenfalls fertig und konnte die Rennen der anderen genießen.
Meine Klasse war nicht die Beste, und ich muss sagen, in Deutschland habe ich es überraschend selten erlebt dass mein Team nicht so gut gewesen war. Aber es machte niemandem etwas aus, also ließ ich mich davon auch nicht runterziehen.

Unser Klassenstufenwettbewerb war Seilspringen. Die Klasse wurde geteilt und ca. 20 Leute sprangen also über ein großes Seil. Ich will nicht sagen dass wir schlecht waren, unser Bestes war um die 30 Sprünge, aber die besten Teams hatten es doch tatsächlich bis zu 100 Sprüngen geschafft.

Dann waren da noch Wettkämpfe wie Hindernislauf (Unter Sachen drunter krabbeln usw. also keine Leichtathletikdisziplin), Massenhuckepackbattle oder wo bei drei Personen die Beine miteinander verbunden waren und man zusammen so schnell wie möglich laufen musste. Es hat echt wahnsinnig viel Spaß gemacht seine Leute anzufeuern.


Unsere Clubs gaben auch einen kleinen Beitrag zum Sportfestival dazu. Aus meinem Tanzclub tanzten ein paar Gruppen schnell mal was vor, während Mädchen im Kimono aus dem Teezeremonieclub Bonbons in die Massen schmissen.
Besonders lustig fand ich auch die Staffelwettrennen zwischen den Sportclubs.
Alle hatten ihre Clubuniform an, was die Jungs aus dem Schwimmclub sofort ausnutzen mussten und nur in ihren hautengen Badehosen an den Start gingen. Komischerweise war auch das Orchester beim Laufen mit dabei, was sie damit erreichen wollten weiß ich auch nicht^^.
Überraschenderweise gewann das Wettrennen der Mädchen aber nicht der Leichtathletikclub, sondern der Basketballclub. Sie hatten den Staffelstab fallen gelassen.
Dafür brachten die Jungs aus dem Leichtathletikclub einen souveränen Sieg ein.

Am Schluss wurden noch einige Schüler ausgezeichnet, aber das waren glaube nur sehr bemerkenswerte Leistungen. Schließlich verkündete man auch noch die besten Klassen, was natürlich eher die 2. und 3. Klässler waren, und dann war der schöne Tag auch schon wieder um. Geblieben war mir ein ganz fieser Sonnenbrand, sogar auf der Kopfhaut. Was meint ihr wie gruselig das war, als ich plötzlich lauter Hautfetzen in meinem Haar fand.


Im Tanzclub hab ich dieses Monat sehr wenig auf die Reihe bekommen.
In meiner "Hip Hop cool" Gruppe sprachen sie Japanisch und noch mehr Japanisch und ich kapierte irgendwie mal gar nichts was sie da beschlossen. Bis mich jemand aufklärte, dass wir plötzlich nur noch zu zwei Liedern von Pitbull tanzen und mein schöner, zusammen abgeklärter, The Black Eyed Peas Song einfach gestrichen wurde.
Und dann befanden wir uns genau da, wo ich von Anfang an überhaupt nicht hin wollte. Bei zwei viel zu schnellen Partyliedern und dem unpassenden Konzept "Armee" dazu. Ganz abgesehen davon, dass Pitbull so ziemlich der einzige Musiker ist, den ich überhaupt nicht ausstehen kann.
Also waren wir dann mit 9 Leuten dabei, eine Armeechoreo zu Pitbull auszuarbeiten. Eigentlich war ich in letzter Zeit wirklich sehr kreativ, aber zu dieser Schmarotzerlyrics viel mir gar nichts ein. Vielleicht hatte ich auch einfach eine sture "Ich-will-dass-nicht" Blockade im Kopf.


Komischer Weise hatte ich erst Anfang Mai meine erste Kalligraphie Unterrichtsstunde. Mir viel sofort auf dass der Tisch viel zu tief für meine langen Beine war. Das ist tatsächlich ein kleines Problem.
Jede Stunde beginnt mit ca. 2 Minuten einfach nur ruhigem Dasitzen und geschlossen Augen.
Das sind wirklich sehr schöne 2 Minuten. Man hört die Vögel zwitschern, den Ventilator surren und den Wind rauschen. Es macht sich tatsächlich innere Ruhe in einem breit und man erkennt die tiefere Bedeutung in dem, was man macht. Da lacht auch keiner oder fängt an zu schnarchen, vielleicht spüren tatsächlich alle im Raum was ich gerade erläutert habe.

Die Materialien hat mir meine Lehrerin irgendwie zur Verfügung gestellt. Keine Ahnung ob die auch meine Organisation bezahlt hat oder es von der Schule ist. Aber ich hoffe ich darf es nach dem Auslandsjahr mit Nachhause nehmen und auch in Deutschland mal einigen zeigen.

Die Tinte wird sehr interessant hergestellt. Man hat so eine Art dunkles Tafelbrett vor sich liegen wo man 10 Tropfen normales Wasser drauf tröpfelt. Dann verreibt man das Wasser, mit etwas, dass aussieht wie ein schwarzer, länglicher Stein. Ich hab keine Ahnung wo genau die Tinte dann herkommt, aber ich vermute mal von dem Stein, auch wenn dieser kein bisschen abfärbt.

In Kalligraphie schreibt man Kanjis (chinesische Schriftzeichen) mit Tinte in Schönschrift. Wir schreiben die Kanjis aus dem Lehrbuch ab, dass ist echt verdammt schwierig. Erst recht weil die Striche auch alle in einer bestimmten Reihenfolge gezeichnet werden müssen, ich fühle mich immer richtig schlecht wenn ich die einfach nicht beachte und damit vielleicht die ganze Bedeutung auseinander bringe, was weiß ich.
Zuerst macht unser Lehrer das Kanji vor, bei ihm sieht es so verdammt einfach aus, und er malt die Striche so bewusst und leichthändig. Dann macht er immer noch eine Zeichnung, wie wir es NICHT machen sollen, die kritischen Punkte eben. Wenn ihr mich fragt, ich sehe da keinen Unterschied und finde beiden wunderschön.
Meine Zeichnungen dagegen gehen jedes Mal voll in die Hose. Dann habe ich da den Strich mal zu kurz gemacht, will ihn nochmal etwas verlängert und BOOM ist da ein fetter Tintenfleck.
Bei meiner Banknachbarin dagegen sieht dass jedes Mal so schön aus, ich beneide sie darum total.
Aber mit jeder weiteren Unterrichtsstunde sammel ich an Erfahrungen und lerne aus meinen Fehlern.
Am Ende waschen alle ihre Brettchen ordentlich mit Kreide ab und dann dürfen wir wieder gehen.

Ich war anfangs etwas enttäuscht, als ich erfuhr dass der Musikkurs auch Altblockflöte spielt, dass habe ich nämlich in Deutschland auch sehr gerne gemacht. Aber wer weiß ob sie die da wirklich richtig spielen lernen, vielleicht wäre es auch viel zu einfach für mich gewesen.

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Im Mai habe ich mal wieder viel zu viel erlebt, eigentlich wären da noch mehr Dinge die ich am Ende des Monats erlebt habe, aber ich nehme sie einfach in den nächsten Monat mit rein. Immerhin muss man erstmal die Zeit finden, solche Berichte zu lesen ^.^ .
Ich höre von ganz vielen Lesern! DANKE, DANKE, DANKE! Das motiviert mich ganz dolle und es freut mich, dass es so viele interessiert was hier in Japan läuft. Gleichzeitig ein fettes SORRY dass mein Deutsch wohl schlechter wird. Seht es positiv, dass bedeutet nämlich, mein Japanisch nimmt zu :D


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