Mittwoch, 9. September 2015

Juni

Endlich erlebte ich meinen ersten Erdbeben.

Nachdem ich den ersten, sogar recht starken Erdbeben, irgendwie verpassen konnte, (ich hatte gerade Sportunterricht und bin wahrscheinlich gelaufen, weshalb es mir nicht aufgefallen war dass der Boden bebte) hab ich mich schon ziemlich dumm gefühlt. 100m weiter sind sie unter die Tische gekrochen und hatten Angst dass die Lampen gleich runterfliegen, während ich bis Ende des Tages gar nichts davon wusste.
Meine Gastma schrieb mir eine Nachricht wo ich bin und ob es mir gut ginge. Ich verstand zuerst gar nicht wieso sie so besorgt war. Als sie dann Nachhause kam, meinte sie es gab einen starken Erdbeben.
Ich finde leider keinen anderen Ausdruck, als dass ich mich von ganz Japan verarscht gefühlt habe.

Aber glücklicherweise ließ der nächste nicht lange auf sich warten.
Ca. eine Woche später ging ich mit meinen Gasteltern ins Restaurante essen. Mein Lieblingsrestaurante, da gibt es Pizza :D.
Plötzlich meinte meine Gastma nur: "Earthquake.". Tatsächlich war da ein leichtes Rütteln unter unseren Füßen. Aber auch nicht sehr stark und auch nicht sehr lange. Ich denke kaum einer hatte es im Restaurante überhaupt bemerkt. Ich total begeistert, meinen ersten Erdbeben erlebt zu haben, wir fingen eine Unterhaltung darüber an.
Und plötzlich bebte die Erde nochmal. Dieses Mal schon viel heftiger, die Lampen wackelten und einige schrien erschrocken auf.
Ich hatte nicht wirklich Angst. Viel größer war meine Begeisterung dafür dass etwas total unvorhersehbares und aufregendes gerade passierte. Erdbeben waren in Japan ja normal, weshalb ich nicht gleich damit rechnete, die ganze Hütte würde zusammen fliegen.

Danach war ich innerlich ganz aufgekratzt. "Wow, jetzt ist die Welt verändert.",dachte ich.

Tatsächlich hatte das Erdbeben einige besondere Situationen hervorgerufen.
Ich fands ja schon toll als ich sah, dass im Fitnessstudio neben an, alle von ihren Laufbändern runter mussten. Aber als wir nach Hause fuhren, konnten wir das Auto nicht in der Etagengarage parken, weil das System sich automatisch außer Kraft gesetzt hat. Und als wir dann vor den Fahrstühlen standen, mussten wir feststellen dass es hier genau der selbe Fall war. Also blieb uns nichts anderes übrig, als mit voll gestopftem Magen die Treppen bis ins 17.Stockwerk hochzukämpfen. Endlich oben angekommen, schmiss ich mich auf die Couch vor den Fernseher und lächelte amüsiert über die Menschen in den Nachrichten die im 55.Stockwerk fest saßen. Oder auch im Skytree. Gestorben ist aber keiner ;)



Am nächsten Tag wollte mir Svenja Tokios Koreatown zeigen. Shinokubo heißt der Stadtteil und es war wirklich ziemlich cool. Wir gingen aus der Station und sofort fiel mir ein Shop mit großer "CALL ME BABY" Aufschrift auf. Das ist ein Insider für alle Kpop (koreanischer Pop) Fans.
Wir gingen weiter die Hauptstraße entlang, und so wirklich jeder Laden war koreanisch bestückt. Auch sehr beliebt sind ja deren Beautyprodukte. Die anderen 90% bestanden aus Kpop.


Eigentlich wollten wir zuerst Essen, aber die Shops waren einfach zu verlockend und am Ende hatten wir schon einige Tüten gesammelt bevor wir einen Imbiss betraten. Ich aß solche Nudeln in Suppe, das war echt scharf. Zwischen dem koreanischen und japanischen Essen besteht doch noch ein ziemlicher Unterschied.

Zum Thema Kpop gab es alles was sich das Fanherz erträumen konnte.
Buttons, Poster, signierte Alben, alle je stattgefundenen Shows, Auftritte, Konzerte, Conteste, selbst erstellte Videos auf einzelnen Stars basierend, Kdramen das ABC runtergerattert, Puppen, Taschen, Bekleidung, Schulzeugs, Schmuck, Handyhüllen, Anhänger, Kissen, eingerahmte Bilder, Zeitschriften, Namensstecker auf Hangul (koreanische Schrift) oder Romanisiert, ja sogar Handcreme von den Teen Top Membern habe ich gesehen. Man konnte sich ein Leben in Fanartikeln erstellen.

Gott sei Dank bin ich inzwischen von meinem verrückten Fangirl- Dasein runtergekommen und konnte mein Portmonee unter Kontrolle behalten.
Svenja dagegen nutzte ihr Umfeld bis zum Geht-nicht-mehr aus (welches war als sie nichts mehr tragen konnte und die Tüten zu platzen drohten, ungelogen), und legte locker
mal insgesamt über 400 Euro an diesem Tag auf den Tisch. Jetzt fällt es mir schon schwer, nicht von allen Bayern zu erwarten dass sie Geld haben. Es war echt krass.


Dafür war ich umso zufriedener mit meinem kleineren Einkauf, der auch aus nutzbarem Bestand. Ich gebe mein Geld lieber in Harajuku aus. Hehehe.

Ziemlich cool war auch, dass ich meine koreanischen Sprachkenntnisse einsetzten konnte und für Svenja die in Hangul geschriebenen Namensstecker übersetze.
Aber an sich ist Hangul wirklich keine große Sache. Was auf den ersten Blick wie jede andere asiatische, komplizierte Schrift aussieht (womit wohl Kanji gemeint ist und nur in China und Japan verwendet wird), ist beim genauer mit Beschäftigen eigentlich sehr einfach.

Dagegen ist es ziemlich deprimierend, wenn man Japanisch auch nach einem Jahr noch nicht richtig lesen kann. Grund dafür sind die erwähnten ca. 3000 gebräuchlichen Kanjis.




An einem frühen Sonntagmorgen wollten wir Warabi etwas Gutes tun. Es war City Cleaning angesagt und viele aus unserem Hochhaus holfen mit.
Der eigentliche Grund war, dass ein Mann aus dem Haus meinte, er wolle mich nach dem Cleaning dem Bürgermeister vorstellen. Er wollte sich für die gute Arbeit in Warabis Straßen bedanken.

Ich wusste erstmal gar nicht was ich anziehen sollte. Erst hockt man vielleicht auf dem Boden rum und kratzt alte Kaugummis vom Gehweg und danach tritt man dem Bürgermeister gegenüber.
Im Endeffekt verpassten wir ihn aber leider. Anscheinend hatte der Bürgermeister es eilig gehabt und war nur sehr kurzzeitig da.
Trotzdem war das Gefühl als man wieder Zuhause ankam gut, denn man hatte etwas Gutes getan und noch den ganzen freien Tag vor sich.



In der Schule hatte ich die Gelegenheit, neue Leute kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen. Die Austauschschüler wurden nämlich beauftragt, mit jeder Klasse der Erstklässler zusammen Lunch zu essen.

Eigentlich hatte ich gar keinen Bock darauf. Schon aus Prinzip weil wir es machen SOLLTEN. Für Svenja und die chinesische Austauschschülerin schien es aber noch mieser zu sein, denn wenige von den Jüngeren trauten sich die Senpai anzusprechen.
Finde ich schon doof, kann man gar keine älteren Freunde haben, einfach weil sie älter sind. In Deutschland bin ich sehr glücklich darüber, auch jüngere oder ältere Freunde zu haben. Im Endeffekt ist da kein Unterschied und man kann immer noch was dazu lernen. Finde ich also sehr traurig an diesem Senpaiprinzip.

Wie auch immer, wurde ich deswegen immer als erste begrüßt und an einen Tisch in der Gruppe gebeten.
Darüber war ich echt immer sehr froh, denn dann konnte man anfangen gemütliche Unterhaltungen zu führen. Diese waren leider öfters noch mit viel Englisch bestückt.
Aber nicht meinerseits! Es fällt den Japanern wohl schwer, zu glauben dass ich ein wenig japanisch verstehen könnte, und andererseits wollen sie unbedingt ihr Englisch auf die Probe stellen. Aber reden sie Englisch mit mir, komme ich mir immer wie ein Ausländer vor, der ich ja auch bin, aber eben ein Ausländer der komplett anders ist und zu dem man höhere Mittel einsetzen muss um Kommunizieren zu können.
So kann man keine richtigen Freundschaften aufbauen, ich möchte gleichgesetzt werden.

Wie auch immer hat es, ist eine Unterhaltung zustande gekommen, immer sehr Spaß gemacht.

Am meisten überrascht war ich gleich bei der ersten Klasse.
Ich hatte den Klassenraum an diesem Tag kein einziges Mal betreten. Bevor ich nämlich überhaupt in den Raum starten konnte, kam mir schon eine Gruppe von JUNGS entgegen, und meinte doch ich solle mit ihnen zusammen essen.
Ja, da war ich schon ziemlich baff und geschmeichelt, aber unwohl habe ich mich auch gefühlt. Denn die Mädchen im Klassenraum starrten mich durch die Fenster an und ich wusste, es ist nicht normal in Japan etwas mit Jungs zu machen.

Also versuchte ich sie nach draußen zu winken, damit wir so eine gemischte Geschlechterrunde machen konnten, ich wollte ja nicht gleich unsympatisch rüber kommen.
Sie zögerten lachend, blieben dann aber doch drinnen.
Nur zwei Mädchen trauten sich noch in meine Gegenwart, aber sie saßen mehr abseits und nicht mit im Halbkreis, weshalb es für mich schwer war, sie in die Unterhaltung mit einzubauen.

Aber mit den Jungs konnte man sich echt ganz gut unterhalten (zumindest mit zweien von ihnen).
Ich fand heraus, dass einer Justin Bieber Fan ist.
Verdutzt starrte ich ihn an, aber keiner im Kreis fand das irgendwie komisch zu finden.

Insgesamt habe ich gelernt, dass viele männliche Japaner amerikanische, weibliche Sängerinnen gut finden. Das finde ich echt überraschend und irgendwie auch sehr amüsierend.

Am Ende war ich dann doch wieder froh, mit meiner eigenen Klasse zusammen essen zu können. Immerhin ist es vorerst wirklich wichtiger, dass ich es schaffe mich dort mit ein zu integrieren. Wenn der Austauschschülerhype nämlich erstmal vorüber ist, wird es erst schwer die richtigen Freunde zu finden.


Weil dann der Sommer kam, fingen auch die ersten Schwimmstunden an.

So ziemlich jede japanische Highschool hat dafür einen eigenen Pool.
In Japan scheint das kein Problem zu sein, in Deutschland dagegen stelle ich mir gleich ein Haufen Schüler vor, die beschließen um 0:00 Uhr eine Poolparty zu veranstalten.
Wer kann es ihnen übel nehmen, ein Pool an der eigenen Schule wäre einfach mal mega. Aber mit den Deutschen leider nicht zu vereinbaren.

Wie auch immer, offenbarte mir Svenja, dass es Austauschschülern nicht erlaubt war mit zu schwimmen. Das ist eine Festmachung der Schule.

Ich habe mich erst darüber gefreut. Nie war ich ein Fan von Schwimmen. Man muss halbnackt im kalten Wasser rumstrampeln. Ich dagegen, sah gemütliches am Pool sitzen und in der Sonne bräunen vor mir, während ich die anderen seelenruhig beobachten konnte. Tja, die Vorstellung war leider ein wenig in die falsche Richtung geraten.

Die ersten Male war es ja noch ganz okay, es war wolkig und kalt und man hat die armen Wassergänger nur bemitleiden können.
Ich war nie die einzige am Poolrand. Mit mir saßen immer noch ca. 15 weitere Mädels rum, die aus Mädchengründen nicht mitschwimmen können (im Sportunterricht werden 3 Klassen zusammen geschmissen, also ca. 120 Schüler von 3 Lehrern unterrichtet). Und so hatte ich immer Leute zum erzählen.

Aber dann wurde es heiß. Man will einfach nur noch unter dem schattigen Zeltchen hocken und ,zumindest in meinem Falle, den Kopf auf die Knie fallen lassen und die Augen schließen. Das einzige was du denken kannst, ist "HEIß" (bzw das auf japanisch) und die Hitze macht dich energielos, lustlos, erdrückt dich einfach nur.
Sommer in Japan ist auch nicht vergleichbar mit Deutschland. Es sind 30C° und die Luftfeuchtigkeit beträgt einfach mal 80%. Dadurch fühlt es sich nochmal 4° wärmer an.

Und da hockt man dann in der Hitze auf dem harten Boden, direkt vor einem erfrischendem Swimmingpool. 3x die Woche für 50 Minuten. Einfach weil Schwimmen gefährlich ist, besonders für Austauschschüler.


Irgendwann entführte mich meine Gastma in einen Park. Aber diesmal war der Park etwas anders als die vorherigen. Die Kyu-Furukawa Gardens besteht aus einem Western-Style Garten und einem traditionellen, japanischen Garten.

Den Wester-Style Garten machte eine klassische Residenz aus schwarzem Stein und weißen Fenstern aus. Das Gebäude sah echt sehr beeindruckend aus, und von innen war es genau so imposant. Große, offene Räume mit viel Sonnenlicht durchschienen und ein Hauch von Alt. Es wirkte tatsächlich sehr amerikanisch.
Wir durften aber nur rein, weil wir etwas von der Speisekarte bestellt hatten. Fotos durfte man leider keine machen, deswegen war ich gezwungen die erhältlichen 3 Postkarten zu kaufen.



Vor dem Gebäude schmückten bunte Rosen aus aller Welt den Garten.
Die Namen waren sehr interessant, sie gestalteten die Blumen irgendwie geheimnisvoller. Viele wurden auch aus Deutschland importiert, und bei genauerem Hinsehen erkannte ich tatsächlich etwas Heimatliches an ihnen.
Leider war die Saison fast zu ende, weshalb einige Sträucher schon leer waren, und die Rosen nicht mehr so prächtig.


Im japanischen Garten stand im Fokus ein großer Teich um den man eine Runde drehen konnte. Am liebsten wollte ich aus jedem neuen Winkel ein Foto schießen. Der Weg war nicht eintönig oder allzu lang, deswegen genoss ich diesen Garten besonders.





Außerdem traf ich auch einen Deutschen.
Na gut, treffen ist vielleicht etwas übertrieben, ich habe nämlich kein einziges Wort mit ihm gesprochen. Aber als wir in dem Gebäude saßen und gemütlich unseren Kuchen aßen, hörte ich, wie am Nachbartisch Englisch gesprochen wurde. Was mir auffiel, war aber das vertraute Englisch welches ich wahrnahm.
Kein Akzent, Dialekt oder schnelles Brabbeln, es war ein Englisch welches ich nur zu gut kannte und immer am besten Verstand. Für mich war eindeutig dass er aus Deutschland kommt.
Plötzlich fragte er dann auch noch die Japaner an seinem Tisch, ob sie denn Rammstein kennen würden. Ich lächelte in mich hinein.

Wie bereits erwähnt, outete ich mich aber nicht als seinesgleichen.
Zum einen hätte ich ja dann ein Gespräch mit ihm angefangen (vielleicht sogar auf Deutsch) und damit wäre der Rest Japaner irgendwie ausgeschlossen geblieben.
Und zum anderen rede ich in meinem Austausch generell nicht so gerne mit Ausländern.
Ich möchte nicht, dass wir Ausländer uns so abgrenzen von den Japanern. Ausländer in Japan sind immer was besonderes, und deswegen sollten wir uns selbst nicht noch besonderer machen, als wir sind. In Deutschland würde ich ja auch nicht jeden gleich ansprechen. Oder ein Asiate einen Asiaten weil er eben Asiate ist.
 In Japan will ich eben mehr japanisch wirken, anstatt Ausländer oder Tourist.



Das ist aber leider nicht so leicht in Japan. Austauschschüler sind wohl so eine Sensation, als nächstes wollten Schüler ein Interview für die Schülerzeitung mit mir machen.
Ziemlich cool war es ja schon.
Sie machten zuerst ein paar Fotos und fingen dann an, mir Fragen zu stellen. Sie konnten etwas Englisch, dass machte die Sache wesentlich einfacher.
Ein Monat später kam die Schülerzeitung raus. Zwischen neuen Lehrern, großen Cluberfolgen bei Wettkämpfen und Universitätsbeiträgen war dann tatsächlich ein (zum Glück gut getroffenes) Bild von mir mit dem gesamten Interview.
Mein Gastvater half mir später beim Übersetzen. Dabei mussten wir leider feststellen, dass einige Missverständnisse beim Interview aufgekommen sind und ich plötzlich nur nach Japan gekommen sei, um in Harajuku shoppen gehen zu können xD Naja was solls.



Svenja und die chinesische Austauschschülerin schrieben während der Zeit an Reden für den Speech Contest.
Ich hörte die Rede von der Chinesin zuvor und verstand wirklich kein Wort. Aber sie hatte es super herüber gebracht und es schien sehr humorvoll zu sein, ich wünschte ich hätte sie besser verstanden.

Svenjas Rede war über das deutsche Schulsystem. Sie trat aber nur als Gastredner auf.

Zwei Tage davor, wurde mir plötzlich offenbart, dass ich auch mit zum Speech contest gehen sollte. Natürlich mit keiner Rede. Nur zum Zugucken. Das fand ich ziemlich cool. Ich liebe es, wenn ich mal nicht selber aufgeregt sein muss sondern mich von dem Eifer der anderen Unterhalten lassen kann. Außerdem hatte ich dadurch ja auch keine Schule bzw. Club.

Der Speech contest war in einem relativ kleinem Rahmen gehalten wurden.
Es gab ca. 6 japanische Reden von Austauschschülern und einfach zu viele englische Reden von japanischen Highschool Schülern. Wir lernten also viele neue Leute kennen. Einer kam aus Österreich, sprach also auch Deutsch, eine andere aus Amerika und noch wer aus Belgien. Sie stellten uns dann ihre japanischen Freunde vor, und somit wurde es ein buntes Sprachengewirr. Ich versuchte dabei tapfer in meinem miserablen japanisch Freunde zu finden.

Zurück zu den Reden.
Die japanischen waren glaube alle nicht sooo gut, aber wer will das schon von Schülern erwarten, die die Sprache seid gerade mal einem Jahr kenne?
Mit Ausnahme von unserer Chinesin. In China hatte sie auch schon 4 Jahre Japanischunterricht gehabt, in Japan feilte sie es zum Perfekten aus. Als sie ihre Rede hielt, hörte ich zwei ältere Damen vor mir wundern:"Eeeh?? Japanerin?". Schließlich gewann sie die japanischen Reden auch.

Die englischen Reden waren alle ziemlich gut, aber auswendig lernen kann ja jeder. Bei dieser Konkurrenz ging es nicht mehr darum, seine Rede fehlerfrei und sprachlich gut vorzutragen, nein man musste zum Schauspieler werden und die Zuschauer mitreißen wie Leonardo Dicaprio.
Einige haben das echt übertrieben, man dachte sie fangen gleich an auf der Bühne loszuheulen.
Aber die allerletzte Rednerin übertraf sie wirklich alle.
Irgendwie hatten alle das Thema Rassismus, Gleichheit, Gerechtigkeit, Verantwortung übernehmen und solch gutmütiges Zeug. Ich fragte mich, ob ihre Geschichten wirklich wahr waren, und sie tatsächlich so begeistert von dem waren, was sie uns näher bringen wollten.
Die letzte Schülerin hatte auch so ein Thema, aber ihr Auftreten war einfach so natürlich und sympatisch, man hing an ihren Lippen und glaubte ihr, was sie sagte.

Am Ende wurde die Auswertung von Native speakern übernommen, mit ihren Platzierungen war ich vollkommen zufrieden.

Danach wollten wir noch etwas mit den neuen Bekanntschaften unternehmen. Wir gingen in einen Manga- und Animeshop.
Da gab es wirklich alles für einen Freak auf zwei Etagen verteilt. Mich begeistert das eigentlich nicht so, aber interessant war es auf jeden Fall.
Als endlich wieder alle vor dem Shop versammelt waren, war es plötzlich auch schon ziemlich spät und ich wollte lieber schon Nachhause gehen mit der Chinesin. Ich komme immer gerne Zuhause an.

Leider gingen all die anderen Austauschschüler auch schon bald zurück in ihre Länder, deswegen "nutzte" mir ihre Bekanntschaft wenig (natürlich war es super sie kennengelernt zu haben, aber auf längere Zeit konnte ich eben nichts mit ihnen unternehmen).



Am nächsten Tag hatte unsere japanese Songs Lehrerin die 3 Austauschschüler zu einem Sobaessen eingeladen. Der Anlass war, das Svenja und auch die Chinesin uns bald verlassen würden.

Der Unterricht mit ihr war eigentlich immer ganz cool.
Wir waren nur 3 Schüler und meistens redeten wir auch viel um unser japanisch zu trainieren. Außerdem lernte ich viele bekannte japanische Lieder und meine Mitschüler freuten sich immer wenn ich einen neuen Ohrwurm vor mir her sang. Wir 3 sangen nicht besonders gut, teilweise waren die Lieder ziemlich hoch und es hat sich einfach nur schrecklich angehört. Aber spaßig war es auf jeden Fall.

Zurück zu dem Essen.
Mit dem Auto fuhr sie uns zu einem Sobarestaurante in der Nähe ihres Hauses.

Soba sind dünne graue Nudeln die man in ne Flüssigkeit taucht (glaube Soja??) und dann isst. Dazu werden meist noch Beilagen wie Tempura (frittiertes Gemüse, Fisch) geliefert.
Der Ehemann unserer Lehrerin leistete uns auch noch Gesellschaft, und abgesehen davon dass es echt nicht leicht war die ganze Zeit auf dem Boden zu hocken ohne dass die Beine einschlafen, war es ganz unterhaltsam (insofern ich die Unterhaltung verstanden habe).

Danach gingen alle zu ihr Nachhause.
Wir schauten uns einige Ausschnitte aus einer japanischen Hänsel und Gretel Oper an und bekamen Kuchen.
Schließlich setzte sie sich an ihren imposanten Flügel und wir sangen ein paar Liedchen. Nebenbei unterhielten wir uns über Musicals oder Opern die wir schon gesehen hatten, und Lieder die wir toll finden. Allerdings ging dass den ganzen Nachmittag lang, ab und zu war es dann doch schon mal langweilig.

Auf der Rückfahrt hörten wir internationale Weihnachtslieder und andere klassische Musik. Svenja gefiel solche Musik gar nicht. Ich aber fand es mal wieder ganz schön, es erinnerte mich an Deutschland.



Die Woche darauf hatte ich meine erste Area Orientation. Dort sammelten sich die Austauschschüler von YFU aus dem näheren Gebiet und tauschten Erfahrungen, Eindrücke oder auch Probleme miteinander aus.

Aus meinem Gebiet kamen zwei andere Austauschschüler.
Tobias der Däne, und noch eine andere Deutsche von der ich bisher keine Ahnung hatte, dass sie in meiner Nähe wohnte.
Wir hatten auch den coolsten aller coolsten Returnees (Japaner die auch ein Austauschjahr gemacht haben) dabei. Er war vor einiger Zeit ein Jahr in Deutschland und sein Deutsch war einfach mal perfekt. Ich merkte da überhaupt keinen Akzent, allerdings war er auch halb deutsch was das Lernen der Sprache natürlich etwas vereinfacht hatte.
Wie auch immer musste ich mich dadurch nicht mit meinem Englisch rum kämpfen sondern konnte gemütlich auf Deutsch erzählen.
Die Gastschwester von der anderen Deutschen, ihr Name ist Adelheid, war ebenfalls gekommen. Sie verbrachte ab dem Sommer ein Austauschjahr in Deutschland. Sie nahm schon jetzt Deutschunterricht, und dass was sie schon sagen konnte, klang absolut süß.
Außerdem war auch noch ein Mädchen dabei, welches ihr Austauschjahr in Amerika verbracht hatte. Somit hatten wir ein schönes Sprachengewirr.
Tobias versuchte sich zwischen durch auch mal in seinem Deutsch.

Anschließend gingen wir noch alle zusammen Okonomiyaki essen.
Das war für mich das erste Mal und ich fand es echt super. Zuerst sucht man sich die Zutaten (verschiedenes Fleisch, Salat, Nudeln, Gemüse etc.) aus der Speisekarte aus. Diese werde dann in einer Schüssel unzubereitet auf den Tisch gestellt und man kann es sich das Essen selber machen.
In der Gruppe ist das echt lustig und man macht etwas mehr zusammen als nur getrennt sein Essen zu essen. Zuerst vermischt man also die Zutaten in der Schüssel, dann klatscht man es auf die heiße Platte in der Mitte des Tisches und brät es wie man will. Danach macht man noch Käse, ein Ei oder Mayo drauf und fertig ist es.

Der Nachteil ist, dass man immer nur eins zubereiten kann und man dieses dann noch teilen muss. Angesichts meines Bärenhungers war ich deswegen etwas ungeduldig.

Aber am Ende waren alle satt und als ich Zuhause an kam, war ich etwas deprimiert von meinem Japanisch und darum hoch motiviert mehr zu tun, mehr zu sprechen, mich einfach mehr in die Sache rein zu hängen.
Außerdem wollte ich meinen Kontakt nach Deutschland stark verringern.
Mit einigen Kontakten hat das ganz gut geklappt.
Inzwischen mache ich ca. alle 3 Wochen mit meiner Mum oder meiner Schwester einen Videoanruf. Meistens auch weil ich wieder Geld brauche xD.
Mit anderen dagegen war es etwas schwieriger.
Natürlich bin ich mega froh, dass noch so viele Leute in Deutschland an mich denken. Das zeigt mir wer meine wahren Freunde sind und wer sich auch wirklich für mich interessiert.
Auf der anderen Seite sagt man uns in Japan indirekt: "Lasst das andere Leben hinter euch! Sonst werdet ihr nie richtig in die neue Kultur eintauchen können und immer zur einen Hälfte ganz wo anders sein. Das nimmt auch Auswirkungen auf den Sprachprozess!." Das alles verstehe ich vollkommen, aber man kann eben sein anderes Leben nicht einfach so in den Mülleimer schmeißen.

Vielleicht ist es falsch, aber ich denke auch an mein Leben nach dem Austauschjahr und in dem will ich nichts von dem Alten verloren haben. Eigentlich war ich nämlich richtig glücklich. Jetzt kann ich auch glücklich sein, und in der Zukunft will ich das auch sein.



Das Highlight des Monats war wohl aber der Trip nach Kamakura mit meinen Gasteltern.
Sie hatten mir schon atemberaubende Bilder gezeigt und trotz dem stetigen Regen war es sehr schön.

Kamakura liegt südlich von Tokyo am Meer und war mal der alte Hauptsitz Japans. Zu dieser Zeit gingen viele Leute dorthin, um die große Anzahl an "Ajisai" zu betrachten. Ajisai ist eine Blume, ihr lateinischer Name ist Hydrangea, in Deutschland sagt man Hortensien.

Wir gingen zuerst zu einem Abschnitt wo einige Tempel und traditionelle Bauten waren.
Ich genoss die Atmosphäre sehr, so stellte man sich das traditionelle Japan vor. Ordentlich gepflegte Gärten und ruhige Natur.



Die Ajisai verschönerten den Weg um einiges. In allen Farben und Größen waren sie vertreten. Wir sahen auch ein paar Künstler auf den Stufen sitzen. Am liebsten hätte ich so ein Wasserfarbenbild gekauft, aber ich glaube die Bilder waren leider nicht käuflich.





Danach gingen wir einen langen Weg zu einem Park, der hauptsächlich auf Blumen wie Ajisai ausgerichtet war.
Aber schon der Weg dorthin hatte ein wunderbares Feeling. Jedes Haus war schöner als das nächste und dazwischen drängten sich enge Gärtnergassen. Wir bewunderten auch schon die ersten prächtigen Ajisai, doch der Park übertraf diese dann um einiges.


In allen Farben waren sie dort vertreten, und das in Massen. Man sah auch andere Blumen wie z.b. ein paar Rosen oder die japanische Nationalblume, lilane Schwertlilien.

Der Park war wohl sehr buddhistisch geprägt. In der Broschüre las ich, er wurde von einem Mann erbaut, der die Seele von seinem im Kampf verstorbenem Vater damit zurück holen wollte. Später wurde dann noch ein buddhistischer Tempel errichtet.





Nachdem wir dort auch viele Fotos geschossen hatten, ging es weiter zum Meer.
Dort wollten wir in einem italienischen Lieblingsrestaurante meiner Gasteltern zu Mittag essen. Man hatte von unserem Tisch aus einen super Ausblick auf das Meer mit seinen Surfern und Bötchen. Das war auch ganz gut so, wir mussten nämlich ziiiiiemlich lange auf unser Essen warten.
Es war dann aber doch ziemlich lecker und künstlerisch hergerichtet worden.

Leider konnten wir danach nichts mehr unternehmen, weil es für die anderen Attraktionen schon zu spät geworden war. Aber die Beine waren so oder so schon schwer.



Bald darauf wurde es Zeit, sich von Svenja zu verabschieden.
Ich hatte ihr ein leeres Fotoalbum und eine Karte zur Erinnerung geschenkt an ihrem letzten Schultag.
Sie kam aber nochmals ein paar Tage später zur Schule, gemeinsam mit ihren aus Deutschland gekommenen Eltern.

Es war ziemlich komisch als ich auf ihre Eltern traf. Ich hatte tatsächlich ganz vergessen, wie man zu deutschen Erwachsenen sprach.
In Japan ist das ja einfach, zu jedem Älteren eben das Höchstmaß an Höflichkeit hervorbringen, aber in Deutschland war das irgendwie anders. Ich kam nicht mal auf die Idee Hände zu schütteln. Das war echt komisch und für mich etwas beängstigend.

Svenja hatte gefragt ob sie am letzten Tag aufs Dach der Schule gehen darf, und weil dass eben schon echt ein Luxus ist habe ich mich gleich zusammen mit ihrer Klasse hinauf geschlichen. So große freie Flächen kriegt man in meiner Wohngegend doch eher selten zu sehen. Daher war es sehr schön und man hat sich etwas freier gefühlt.

An sich viel mir der Abschied von ihr dann doch leichter als gedacht. Auch jetzt fehlt mir ihre Anwesenheit nicht so sehr. Wenn ich bei Svenja war, hat sie mir immer meine Fehler vor die Nase gehalten, aber die Fehler sind eben normal und manche muss man auch machen um zu lernen. Deswegen habe ich mich danach irgendwie sicherer und freier gefühlt.



Zu allerletzt unternahm ich einen Ausflug mit meiner Gastma in den Ueno  Zoo.
Eigentlich wollten wir in ein Aquarium gehen, aber das hatte leider zu. Ich glaube im Endeffekt fand ich den Zoo so oder so besser.


Zum ersten Mal sah ich einen echten Pandabären! Um genau zu sein sogar 2. Sie waren schon richtig knuddelig wie sie da saßen und ihr Bambus knabberten.
Sehr interessant fand ich aber auch die Seelöwen und Robben.

Die Seelöwen weil man durch das Glas unter Wasser gucken konnte und der eine Seelöwe immer direkt an der Glasscheibe entlang geschwommen ist. Es schien als hätte sie mit dem Seelöwen auf dem Stein kommuniziert und sich sorgen gemacht.



Das Becken der Robben war auch einfach super gestaltet. Die Besucher konnten so zu sagen direkt durch ihr Becken gehen und sie durch das Glas beobachten. Über dem Gang war eine Glasröhre wodurch die Robben zur anderen Seite schwimmen konnten. Das Tier schwebte also direkt über einem und es sah so schön aus wie sie durch die Röhre gleiteten.

Im Allgemeinen muss ich aber sagen dass mir die Tiere nicht sehr zufrieden vor kamen. Die Gehege waren teilweise sehr klein, dreckig und nicht an ihre gewöhnliche Umgebung angepasst. In diesem Punkt sind die deutschen Zoos auf jeden Fall tiergerechter eingerichtet.


Ein wichtiger Faktor der den Juni auch prägte, war der ständige Regen. Diese Saison wird Tsuyu genannt.

So viel geographische Fakten will ich darüber gar nicht aufzählen.
Mir hat der Regen tatsächlich etwas gefallen. Er kam sehr erfrischend und wenn es zu stark regnete und die Klassen nicht schwimmen sollten haben wir in der Halle Basketball gespielt.
Außerdem liebe ich es im Regen joggen zu gehen, aber auch den Regen auf meinen Regenschirm platschen zu hören (PS: In Deutschland war ich ein absoluter Anti- Regenschirmbenutzer, aber in Japan wäre es ohne Schirm fast schon peinlich im Regen zu laufen).

Zum ersten Mal sah ich von meinem Apartment aus auch rote Blitze in der Nachbarprovinz. Zuerst dachte ich die machen da irgendwelche chemischen falschen Dinge, denn rote Blitze sehen total gefährlich und unrealistisch aus. Danach musste ich mit Hilfe von Google erstmal Physik nachholen, ich konnte mir dieses Naturereignis ja überhaupt nicht erklären. Das war schon mega interessant.


Sorry für die unregelmäßigen Updates. Ich bemühe mich jedes Mal den Eintrag schneller fertig zu machen. Aber wie ihr sieht passiert so viel und meine Freizeit verbringe ich dann oft auch lieber anders als das Erlebte gleich nieder zu schreiben.
Aber ich gebe mir viel Mühe weil ich weiß dass es viele Leute interessiert was ich schreibe und es auch für mich später eine schöne Erinnerung und Zusammenfassung sein wird.
Außerdem soll mein Deutsch nicht sterben :D

Vielen Dank fürs Lesen und Warten :) .
Bis dann!






2 Kommentare:

  1. Hi

    Schöner (langer) Beitrag von dir :)

    Ich persönlich würde, aufgrund von Erfahrungen von anderen (mein ATJ steht noch bevor) den Kontakt komplett abbrechen (bis auf vielleicht einmal pro Monat ein Videochat mit der Familie) um so sich auf Japan konzentrieren zu können.

    Viele sagen dass die echten Freunde auch nach einem Jahr wieder zu einem stehen und auf die anderen hätte man ja sowieso verzichten können...
    Das du vieles verpasst ist klar, aber das sollte dir bereits vorher klar gewesen sein und schlimm ist es ja auch nicht.
    Du machst schliesslich auch deine ganz eigenen Erfahrungen und teilst Momente mit deinen neuen japanischen Freunden die deine in Deutschland auch nicht immer mitbekommen.

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    1. Hallo Patrick!

      Danke für deine Meinung zu meinem Beitrag :)

      Ich gebe dir vollkommen recht und stehe hinter deiner Meinung. So habe ich ja vorher auch gedacht. Und wahrscheinlich erreicht man so auch ein erfolgreicheres Auslandsjahr (siehe Sprache, in die Kultur eintauchen, Freunde machen, usw.).

      Aber bei der Umsetzung bin ich leider mehr oder weniger gescheitert. Manchmal passieren Dinge, da muss ich einfach mit jemandem drüber reden der genau so tickt wie ich (Japan ist schon ziemlich anders). Und manche Personen sind einfach nicht mehr weg zu denken.

      Ich weiß nicht wie anders mein Auslandsjahr ohne häufigen Kontakt nach Deutschland aussehen würde, aber eigentlich bin ich so auch ganz zufrieden. Vielleicht ist das auch so ein Werteding.

      LG, aileen :)

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